Die fazinierende und gefährliche Welt der Zugvögel

03.02.2024

Jeder kennt sie: Zugvögel! Jedes Jahr, besonders im Frühjahr und im Herbst, machen sich abertausende von Vögeln auf ihre Wege in die Sommer- bzw. Winterquartiere. Viele von ihnen erbringen dabei Meisterleistungen bezüglich Navigation, Entfernungen oder Geschwindigkeit. Aber warum gibt es die Vogelmigration überhaupt und woher wissen die Vögel, wann sie wo hinmüssen? Welchen Gefahren sind die Tiere dabei ausgesetzt und warum zieht es die Vögel dennoch in die Ferne? Welche Rekorde werden dabei von welchen Arten aufgestellt?

Als Zugvögel werden Vogelarten bezeichnet, die an unterschiedlichen Orten brüten und überwintern. So brüten auf der Nordhalbkugel viele Vogelarten in den gemäßigten und arktischen Gebieten, in denen zum Überleben und zur Reproduktion nur im Sommer ausreichend Nahrung zur Verfügung steht. Im Winter zieht es die Tiere dann aber wieder zurück in ihre südlich gelegenen Winterquartiere, die zu dieser Jahreszeit dann ein ausreichendes Nahrungsangebot bieten. Und so kommt es zweimal im Jahr zu einer Massenwanderung, die Vogelzug oder Vogelmigration (vom lateinischem migratos "sich ändern", in Bezug auf die sich saisonal ändernde geographische Lage) genannt wird.

Vogelmigration gibt es das ganze Jahr über, allerdings findet der Großteil der Migration im Frühjahr und im Herbst statt. Fast die Hälfte von den rund 10.000 Vogelarten, die auf dieser Erde leben, sind Zugvögel. Schätzungen zufolge macht dies 50 Milliarden Zugvögel, wovon etwa 5 Milliarden alleine zwischen Europa und Afrika hin und her ziehen. Hierzulande typische Vertreter sind Gänse, Störche, Kraniche, Nachtigallen, Stare, Mauersegler und Schwalben aber auch Singdrosseln, Rotkehlchen, Buchfinken und Hausrotschwänzchen.

STRATEGIEN DER VOGELMIGRATION

Im Gegensatz zu den Zugvögeln bleiben Standvögel ganzjährig in ihren Revieren. Ein Hybrid zwischen den Stand- und Zugvögeln sind Strichvögel, heimische Vogelarten, die im Winter zwar ihre Brutgebiete verlassen, aber je nach Wetter und Nahrungsangebot nur die "Landstriche" wechseln. Zugvögel hingegen wechseln nicht nur den Landstrich, sondern wandern hunderte bis tausende Kilometer zwischen Brut- und Überwinterungsquartieren. Hierbei unterscheidet man die Langstreckenzieher, die zum Beispiel von Europa bis nach Südafrika fliegen und Kurzstreckenzieher, die zum Beispiel von Mitteleuropa in das wärmere Südeuropa oder Nordafrika ziehen. Von den Zugvögeln sind zwei Drittel Langstreckenzieher. Des Weiteren gibt es per Definition auch noch die Mittelstreckenzieher, die typischerweise zwischen den Kurz- und Langstreckenziehern liegen (z.B. Europa und Zentralafrika), allerdings auch durchaus bis zu 6000km auf ihren Routen zurücklegen können, dies dann aber im Gegensatz zu den Langstreckenziehern in zahlreichen Etappen und langsamer Reisegeschwindigkeit.

ORIENTIERUNG LEICHT GEMACHT

Wie sich Zugvögel, vor allem die Langstreckenzieher, sich bei ihren langen Reisen orientieren konnte bis heute nicht wissenschaftlich fundiert abgeklärt werden. Wahrscheinlich ist, dass ein angeborener innerer Kompass die Zugrouten festlegt. Jungtiere lernen dann bei ihrem ersten Zug zusätzlich Landmarken, wie Landformen, Gebirge, Flussläufe, Städte oder ähnliches, sowie die Orientierung an Sonne oder Sternen, zu nutzen, die sie bei weiteren Migrationen nutzen. Der erste Zug ist oft von Alttieren begleitet, die ihr Wissen an die Jungtiere weitergeben. Bei Arten, bei denen die Alttiere nicht mit den Jungtieren reisen, kommt aber auch vor, dass Jungtiere sich in kleinen Reisetrupps zusammentun, dies manchmal sogar Artübergreifend.

WELTENBUMMLER SEIN HAT AUCH SCHATTENSEITEN

Die Zeit, die ein Vogel benötigt, um seine Migration zu absolvieren, kann von einigen Tagen oder Wochen bis zu Monaten reichen, abhängig von der Gesamtdistanz, Fluggeschwindigkeit, Route und Zwischenlandungen. Vögel, die zu einem späteren Zeitpunkt in der Saison ziehen, sind in der Regel schneller unterwegs als frühere Migranten derselben Art, selbst wenn sie die gleichen Routen fliegen. Was aber für alle Vögel gleichbleibt: Die Reise ist kräftezehrend und so legen sich viele Arten zuvor einen Puffer in Form von Fettvorräten an. Diese angelegten Vorräte und sogar das Eiweiß der inneren Organe wird dann auf der Reise verbrannt, um Energie und Wasser zu gewinnen. Dies ermöglicht den Tieren, ohne zu essen und zu trinken, lange Distanzen zurückzulegen.

Da solche Fettreserven aber begrenzt sind, ist energiesparen sowohl für die kleinen als auch großen Vögel an der Tagesordnung, um die lange Reise zu überstehen. Viele Vogelarten verwenden daher allerhand Tricks, um keine Energie zu verschwenden: So wird in Formation geflogen, damit die nachfliegenden Tiere den Windschatten und durch die Flügelschläge gebildeten Aufwinde der vorderen Tiere nutzen können, es werden "Windautobahnen" benutzt, Luftschichten in denen die Tiere Rückenwind haben, oder thermische Aufwinde, die die Tiere ohne einen Flügelschlag in große Höhen tragen, aus denen sie dann im Gleitflug lange Strecken zurücklegen können. Auch besitzen viele Zugvogelarten für eine bessere Aerodynamik und weniger Luftwiderstand längere und spitzere Flügel sowie ein kleineres Gehirn, um einerseits Masse aber auch Energie zu sparen.

GEFÄHRLICHER FLUG

Illegale Vogeljadg (c) H. Schulz
Illegale Vogeljadg (c) H. Schulz

Trotz der zahlreichen Anpassungen sterben jedes Jahr abertausende von Vögeln während des Vogelzuges und Schätzungen zufolge, schafft es nur einer von drei Vögel zurück in seine Brutgebiete. Viele von ihnen entkräften in Stürmen oder beim Überqueren von Gebirgszügen, andere ertrinken, verhungern oder verdursten auf den langen Strecken, die sie über Meere zurücklegen müssen. Wieder andere werden bei Zwischenlandungen Opfer von Beutegreifern. Die größte Gefahr für den Vogelzug ist aber menschengemacht: Lichtverschmutzung und Elektrosmog stört die Orientierung der Tiere, so dass sie von ihren Routen abkommen und entkräften. Der Klimawandel trägt dazu bei, dass häufiger extreme Wetterereignisse stattfinden die zu starken Stürmen, Regenfällen oder Trockenheit führen und so kann es passieren, dass sie von ihren angestammten Routen abkommen oder aber auf diesen während der Ruhepausen keine Nahrung finden. Auch die Zerstörung von Nahrungs- und Rastflächen durch eine Intensivierung in der Landwirtschaft, macht es den Tieren zunehmend schwer, Ruhe und Nahrung entlang der Routen zu finden. Eine weitere Gefahr ist die zunehmende Bebauung von Flächen und so verenden viele Tiere bei Kollisionen mit Glasscheiben oder hohen Gebäuden, werden von Windrädern erschlagen oder erhalten einen tödlichen Elektroschock auf schlecht isolierten Hochspannungsleitungen. Die aber wohl größte Gefahr beim Vogelzug ist die flächendeckende Jagd auf die Zugvögel, denn Singvögel sind bis heute in fast allen Gebieten des Mittelmeerraums, des Kaukasus, des kaspischen und schwarzen Meeres eine Delikatesse. Es wird geschätzt, dass alleine auf Zypern jedes Jahr 2,8Millionen Vögel getötet werden oder dass in der mit 700km langen und größten Vogelfanganlage der Welt, in Ägypten jährlich bis zu 12 Millionen Tiere gefangen und als Delikatesse verkauft werden – für die Vogelfänger ein erträgliches Geschäft in Millionenhöhe, für die Vogelpopulationen eine arge Bedrohung (Quelle: NABU).

ZUGVÖGEL SCHÜTZEN

Was also tun um unsere Zugvögel zu beschützen? Viele große Naturschutzorganisationen gehen seit Jahrzehnten gegen die illegale Jagd auf Singvögel vor und betreiben Aufklärungskampagnen um die Vogeljäger zu einem Umdenken zu bewegen. Solche Kampagnen kann man finanziell mit Hilfe von Patenschaften oder Spenden unterstützen. Aber auch vor Ort kann jeder viel Gutes tun, indem zum Beispiel Gärten und Balkone naturnah gestaltet werden, Nisthilfen bereitgestellt oder aber Brutplätze an und in Dächern erhalten werden. Gefahren, wie zum Beispiel Glasscheiben oder Vernetzungen, sollten minimiert und vogelsicher gemacht werden, Katzen sollten während der Brutsaison nicht in den Freigang geschickt werden. Jede kleine Hilfe kann zukünftig das Überleben einer Art sichern. Es ist auch wichtig, zu Beginn der Brutsaison im Frühjahr artgerechtes Zusatzfutter in den Gärten anzubieten, so dass die eintreffenden Zugvögel ihre erschöpften Energiereserven schnell wieder auffüllen und abreisende Zugvögel sich ein adäquates Fettpolster anlegen können. Des Weiteren ist es unabdingbar, dass Lebensräume und Brutgebiete erhalten werden. Aus diesem Grund sollte jeder sein eigenes Konsumverhalten überdenken und biologische und regionale Landwirtschaft unterstützen sowie wenig Luxusgüter oder endliche Ressourcen, wie zum Beispiel Wasser, Fleisch, Erdölprodukte oder Produkte aus intensiver Landwirtschaft, konsumieren und vor allem solche Produkte nicht verschwenden.