Geschichten aus dem wahren Leben
Der Arbeitsalltag in einer Wildvogelstation ist alles andere als langweilig und es passieren ständig verrückte Sachen. An diesen wollen wir euch natürlich auch teilhaben lassen. Hier also ein paar Geschichten aus der Saison 2023:
DOHLORIS, DIE HOCHZEITS-CRASHERIN
Geschichte eins erzählt von einem netten Herrn aus Hamburg, der in Bielefeld auf einer Hochzeit sein sollte, dann aber über ein Dohlenküken gestolpert ist. Er beschloss kurzerhand, die Hochzeit links liegen zu lassen, informierte sich, fand die Wildvogelstation und fuhr mit dem Küken hier her, um es in unsere Obhut zu geben – dafür nochmal ein herzliches Dankeschön. Der Dohle hatte er bei weitem die niedlichste Transportbox gebaut, die wir jemals gesehen haben: Sie hatte einen Ausguck und so konnte das Küken während der Fahrt alles um sich herum beobachten.
KLEINE KÜKEN AUF GROSSER TOUR
Die zweite Geschichte handelt von der Odyssee fünf kleiner Weltenbummler. Ihre Drossel-Eltern hatten ein Nest sicher versteckt auf einem LKW gebaut aber dabei natürlich nicht damit gerecht, dass die Wahl ihrer Unterkunft auf eine "fahrende Baute" gefallen war. Ihre Brut wurde also eines morgens Kreuz und Quer durch NRW gefahren, bevor an einer Baustelle dann festgestellt wurde, dass sich fünf blinde Passagiere an Bord befanden. Die kleinen "Waisen" haben dann ihren Weg hierhin gefunden und wurden von uns als ihre menschlichen Ersatzeltern liebevoll aufgezogen.
ENTE GUT, ALLES GUT
Wann immer es uns möglich war, sind wir dieses Jahr ausgerückt und haben Enten und ihre Küken an den verrücktesten Orten gesichert und zu einem nahegelegenen Gewässer gebracht. Wie jedes Jahr war die Ente auf dem Altstadt-Carré und die Ente von einem Balkon in dritten Stock nahe des Dürrkopptors dabei. Auch aus einem Freibad und dem Innenhof der Deutschen Bank in Bielefeld haben wir Ente samt Küken gesichert. Insgesamt kommen wir auf 13 Ausseneinsätze, in denen wir, bis auf einmal, immer die ganze Familie sichern konnten. Zusätzlich zu den ganzen Entenfamilien, haben wir dieses Jahr auch viele Entenküken bekommen, die bei uns nur auf Durchreise in eine adäquate Pflegestelle verweilen. Hiermit ein dickes Dankeschön an all die fleißigen Ehrenamtlichen, die diesen Küken ein neues Zuhause geben, sie groß päppeln und dann auswildern.
RETTUNG IN LETZTER SEKUNDE ODER WIE EIN KLEINES KÜKEN EINE BAUSTELLE LAHM LEGTE
Eine weitere Erfolgsgeschichte lässt sich nur berichten, da wir eng mit der unteren Naturschutzbehörde zusammenarbeiten. Aufgrund dieser Kooperation ist es uns dieses Jahr gelungen eine Baustelle still legen zu lassen, denn eines morgens stand hier ein Dachdecker und brachte uns Mauerseglerküken, die er beim Abriss eines Daches gesichert hatte. Mauersegler sind Gebäudebrüter und ganzjährig geschützt. Daher meldeten wir diesen Fund der unteren Naturschutzbehörde, die ad hoc die Baustelle stilllegen ließ. Alle anderen Mauersegler Familien in dem Haus wurde so ermöglicht, ihr Zuhause zu behalten. Mauersegler, wie auch Wassergeflügel, sind bei uns in der Station nur auf Durchreise, da sie in der Pflege sehr aufwändig sind, welche wir während der Hochsaison neben allen anderen Tieren nicht zusätzlich leisten können. Daher auch hier ein dickes Dankeschön an unsere Mauersegler Pflegestellen in Gütersloh – was ihr leistet ist einfach nur bewundernswert.
OHNESCHNABEL - EINE TRAURIGE GESCHICHTE MIT HAPPY END
Und zum Schluss noch eine traurige Geschichte, die aber unerwarteter Weise dann doch ein Happy End hatte: Wir bekamen Anfang Juni ein Amselküken, was erstmal nichts Ungewöhnliches ist, allerdings fehlte dieser Amsel fast der komplette Oberschnabel und ein kleiner Teil des Unterschnabels. Das schockierende an der Geschichte ist, dass derjenige, der seiner Hecke einen Formschnitt verpasst hat, wusste, dass sich ein Amselnest in der Hecke befand, denn das Nest mit den zwei Geschwisterchen hatte er vorher aus der Hecke befördert und irgendwo im Garten platziert – Todesurteile für diese kleinen Amseln, die noch nicht flügge waren. Das dritte Küken aus dem Nest verlor dann seinen Schnabel – noch ein Todesurteil, wenn das Küken in der freien Natur verblieben wäre, und das alles einer schönen Hecke wegen. Die kleine Amsel wurde uns von der erbosten Nachbarin des Herrn dann schwer verletzt übergeben. Die Geschwisterchen hatte sie leider nicht mehr gefunden. Obwohl wir wenig Hoffnung hatten, haben wir den Kleinen dann trotzdem mit durchgefüttert und auch wenn es vorher keiner geglaubt hat und es lange dauerte, schaffte dieser kleine Glückspilz es irgendwann trotz seines Handicaps, selbstständig zu fressen. Wir haben unseren "Ohneschnabel" dann im Juli ausgewildert. Er hat das Tierheimgelände seither nicht verlassen und "lungert" häufig vor der Wildvogelstation herum, in der Hoffnung von uns ein paar leckere Würmchen zu ergattern und da er uns gut abgerichtet hat (😉), ist er damit auch sehr erfolgreich und bekommt seither jeden Tag seine extra Portion Würmer.