Mid-Season Update 2024
Wie jedes Jahr geht es in der Wildvogelstation in den Sommermonaten heiß her und wir versorgen gerade rund um die Uhr Vogelbabies aber auch erwachsene Singvögel und Tauben. Auch wenn die Saison noch lange nicht zu Ende ist, gibt es auch jetzt schon ein paar interessante Geschichten zu erzählen:
Nils, die fehlgeprägte Elster
Die Polizei steht am Empfang des Tierheims, weil sie einen Hund aus einer Wohnung geholt haben – Herrchen war verstorben. Bis dahin keine wirklich ungewöhnliche Geschichte, allerdings wird die Wildvogelstation dazu gerufen, denn die beiden Beamten haben nicht nur den Hund dabei, sondern auch eine Elster!! Die Elster hatten sie in einer Voliere in der Wohnung gefunden und bis auf Müsli wohl auch nicht wirklich irgendwas Essbares für den Vogel und so packten sie den Vogel direkt mit ein und übergaben ihn uns.
Der Vogel war in einem miserablem Gesundheits- und Pflegezustand: Gefieder verklebt, Krallen so lang, dass sie sich schon eindrehten, kaum noch Gefieder am Kopf, vor allem um die Augen herum und ein schlimmer Schiefstand des Schnabels. Fliegen konnte das Tier auch nur sehr schlecht, was darauf hindeutete, dass er wohl nur noch wenig Muskulatur hatte. Wir schlussfolgerten, dass die Elster wohl eine Handaufzucht war.
Es ist leider jedes Jahr dasselbe Spiel: Privatpersonen finden verwaiste Rabenvögel und ziehen sie bei sich zuhause groß. Das ist natürlich löblich, wenn einem hilfebedürftigem Tier Hilfe zuteilwird, aber bei Rabenvögeln ist es immer dasselbe Ende: Die Vögel prägen sich auf den Menschen und sind dann nicht mehr wildbahnfähig.
Im Fall von Nils wird der Anfang
der Geschichte auch so gewesen sein, nur dass diese Elster gar nicht mehr in
die Wildbahn entlassen wurde und so, wie wir später erfahren haben, 15 Jahre
lang in einem Privathaushalt gelebt hat, bis der Herr, der sie aufgezogen hat,
verstorben ist.
Wir bekommen leider in sehr regelmäßigen Abständen Rabenvögel gebracht, die draußen Menschen anfliegen oder ihnen das Essen vom Teller klauen – sie haben keinerlei scheu oder kommen ohne die Unterstützung vom Menschen draußen nur schlecht zurecht, weil sie nie gelernt haben, wie sie sich selber Futter jagen und zerlegen. Und es ist nicht nur das Problem, dass diese Tiere keinerlei scheu vorm Menschen haben, sondern auch das, wenn das Tier in die Pubertät kommt, den Menschen und nicht einen Artgenossen als seinen Partner ansieht. Ein normales Sozialleben ist für diese Tiere nicht mehr möglich, mal abgesehen davon, dass es sein kann das ein solcher Vogel seinen menschlichen Partner bis aufs Blut verteidigt. Und dann gibt es auch immer wieder Vögel, die unter der menschlichen Obhut leider völlig fehlernährt wurden und Missbildungen und Krankheiten davongetragen haben und aus dem Grund nicht mehr in die Wildbahn entlassen werden können.
Alles in allem ist es mit den Rabenvögeln nicht einfach, denn die artgerechte Ernährung ist kompliziert, Interaktionen mit dem Tier müssen auf einem Minimum gehalten werden und eine Aufzucht alleine ohne Artgenossen nicht möglich. Unser Apell ist daher immer wieder, dass Wildvögel nicht in ungeschulte Hände gehören, denn es versursacht mehr Leid als Nutzen für das Tier. Es gibt Anlaufstellen, in dem es geschultes Personal gibt und wenn man sich etwas anstrengt, ist es immer möglich einen Wildvogel artgerecht unterzubringen. Ausreden wie "Keiner wollte uns helfen" lasse ich in dem Fall nicht gelten, denn wir geben tagtäglich rund um die Uhr unser Bestes, jedem der will, Hilfe zukommen zu lassen und sei es nur, dass man beratend zur Seite steht!
Nochmal kurz zurück zu Nils:
Nachdem er offiziell vom Veterinäramt beschlagnahmt worden war, haben wir für
ihn eine Endstelle gefunden, in der er mit anderen gehandicapten Rabenvögeln
seinen Lebensabend hätte verbringen können. Leider wollte das Amt die Kosten von
6 Euro pro Tag dafür nicht übernehmen. Inzwischen hat die Stadt sich von der
Verantwortung befreit und Nils offiziell an uns übergeben und so "gehört" er
jetzt uns. Da wir aber spendenfinanziert sind, können wir solche Kosten auch
nicht auf uns nehmen und daher wohnt er jetzt also erstmal bei uns in der
Station, bis wir eine bessere Lösung oder einen Sponsoren für ihn gefunden
haben. Wenn Sie die Endstelle für Nils (mit)sponsoren möchten, melden Sie sich bitte per Email in der Wildvogelstation: wildvogelstation@tierheim-bielefeld.de. Wir sind für jeden Betrag dankbar, auch 5€, 10€ oder 20€ im Monat helfen weiter.
Generell: Nils fühlt sich bei uns sehr wohl, ist fit und munter und sieht inzwischen viel besser aus. Er darf sich, bis auf nachts, in der Station frei bewegen und seine Lieblingsbeschäftigung ist irgendwo auf einem Regal zu sitzen, unser Inventar zu schreddern und zu beobachten, was wir da Tagein Tagaus treiben. Da wir uns dachten, dass er sicherlich noch nie draußen war, hat er von unseren tollen Hausmeistern sogar eine kleine, eigens für ihn angefertigte Voliere direkt an der Station bekommen, die er nach anfänglicher Skepsis nun auch benutzt, dass heißt nun sitzt er auch mal draußen, lässt sich den Wind um die Ohren säuseln und beobachtet, was alles so auf dem Hof passiert. Mal sehen wie es mit unserem Elstern-Opa weiter geht. Wir werden berichten!
Tierschutzfall Gebäudebrüter
Etwas anderes womit wir jedes Jahr zu kämpfen haben, sind ignorante Menschen, die meine, Vogelküken sind weniger wichtig als Renovierungs-, Sanierungs- oder Abrissarbeiten. Wir haben bis heute leider schon wieder mehrere Fälle gehabt: So wurde zum Beispiel in einem Garten einfach ein Gartenhaus abgerissen, obwohl darin Spatzen brüteten – fünf Küken in unterschiedlichen Altersklassen verloren ihr Zuhause und ihre Eltern – Dunkelziffer unbekannt.
Bei einem weiteren Fall wurden
bei Arbeiten an einem Dach Nester von Spatzen entfernt und einfach in den
Garten gestellt und sich selbst überlassen. Ein Nest, in dem Eier lagen, hatte
das Glück, dass ein absolut fabelhafter Anwohner es fand, sich kurzerhand einen
Inkubator kaufte(!!) und die Eier zu Ende ausbrütete. Er übergab uns die Tiere
an dem Tag als sie schlüpften! Auch konnten wir in Zusammenarbeit mit unserer
fantastischen Pflegestelle für Mauersegler und der unteren Naturschutzbehörde
im Kreis Lippe eine Baustelle stilllegen lassen, da an dem Haus Mauersegler
brüten.
Alle heimischen Wildvögel stehen gesetzlich unter einem besonderen Schutz und vor allem die Gebäudebrüter, wie Segler, Schwalben, Sperlinge etc, sind streng geschützt. Es ist daher eine Straftat Wildvögel bei der Brut zu stören und ein Vergehen kann mit teilweise empfindlich hohen Bußgeldern oder, je nach dem wie schlimm das Vergehen ist, sogar mit Freiheitsentzug bestraft werden.
Todesfalle Klebefallen
Vor einigen Wochen haben wir eine Kohlmeise gebracht bekommen, die sich in einer Klebefalle verheddert hatte. Sie hat sich dabei fast den Flügel ausgerissen und fast ihr komplettes Gefieder eingebüßt. In diesem Fall konnten wir helfen, den Flügel tapen und nachdem die Knochen verheilt und die Federn nachgewachsen waren, konnten wir sie tatsächlich wieder auswildern. Das ist sehr erfreulich, denn normalerweise gehen solche Begegnungen von Vögeln und Klebefallen nicht so glimpflich aus und enden meistens mit dem Tod der Tiere.
Hier daher der Apell und die Bitte es weiterzutragen: Bitte denkt an die Natur um euch herum. Klebefallen gehören nicht in die freie Wildbahn, denn es sterben an ihnen nicht nur die Insekten auf die die Falle abzielt, sondern auch allerlei andere Lebewesen, die unter Schutz stehen.
Angeschossene Tiere
Und noch eine weniger erfreuliche
Story: Wir haben diese Saison schon mehrfach mit Tieren zu tun gehabt, die
angeschossen wurden. Zumeist sind dies bei so vielen Menschen verhassten Tauben,
aber dieses mal war auch ein Graureiher unter den Opfern. Der Reiher wurde in
Hillegossen aufgefunden und war in einem sehr miserablem Allgemeinzustand: Er
konnte nicht mehr stehen und war völlig abgemagert. Bei der Eingangsuntersuchung
stellte sich heraus, dass er ein Diablo (ein Geschoss aus einem Luftgewehr) in der
Seite stecken hatte. Wir mussten das Tier aufgrund des Allgemeinzustandes und
der sehr schlechten Prognose einschläfern.
Dies ist eine sehr traurige Geschichte, denn man kann vermuten, dass auf dieses Tier geschossen worden ist, weil er möglicherweise in einem privaten Garten Fische aus einem Teich stibitzen wollte – natürlich ist dies eine Mutmaßung aber die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario ist hoch. Es ist einfach schade und zum Weinen, dass wir den Tieren auf der einen Seite alle Lebensgrundlagen stehlen, indem wir ihre Naturräume immer weiter einschränken und ihnen auf der anderen Seite nicht einmal zugestehen, dass sie sich ihre Nahrung woanders suchen. Der Mensch sollte wieder lernen, sich etwas in Demut zu üben, denn die Natur gehört nicht uns!
Rüdiger, ein Schwan auf Abwegen
Nun aber mal eine Geschichte zum Schmunzeln: Anfang des Jahres bekommen wir von der Feuerwehr einen entkräfteten Jungschwan gebracht. Der Jungschwan erholt sich sehr gut und ist nach einigen Tagen wieder topfit. Wir können ihm einen Platz in Olderdissen vermitteln. Er zieht also ein paar Tage später nach Olderdissen um und lebt fortan auf dem Biberteich. Das war zu mindestens unser Plan. Rüdiger, wie er ihn Olderdissen getauft wurde, hatte aber wohl einen anderen…
Wenige Tage her: In der Nähe der Stauteiche in Bielefeld Mitte fällt ein Schwan vom Himmel. Die Feuerwehr sichert das Tier und übergibt ihn uns. Wie durch ein Wunder hat der Schwan sich nichts getan außer, dass er wenig Kopfschmerzen hat. Am darauffolgenden Tag erreicht uns ein Anruf, diesmal aus Olderdissen, sie hätten gehört, dass die Feuerwehr uns einen Schwan gebracht hat? Ihrer wäre seit gestern weg! Daraufhin gleichen wir Fotos ab und siehe da: Es ist Rüdiger!
Rüdiger hatte also irgendwie Flausen im Kopf und dachte sich, er fliegt einfach mal wo anders hin. Was er dabei aber nicht mit einberechnet hatte, ist, dass fliegen doch schon ganz schön anstrengend ist und dass man sowas vorher vielleicht mal ausgiebig trainieren sollte bevor man zu einer Weltreise durchstartet. Er schaffte es daher nur die wenigen Kilometer von Olderdissen bis in die Innenstadt bevor er Bruchlandung erlitt.
Das Ende vom Lied: Wir bringen ihn natürlich zurück nach Olderdissen auf den Biberweiher. Einen Tag später ist er wieder verschwunden, taucht dann aber einige Stunden später auf einem anderen Weiher in Olderdissen wieder auf – der gute Rüdiger hat wohl ordentlich Hummeln im Hintern.
Rüdiger, wir haben dich wirklich lieb und egal was du in Zukunft vorhast, ich würde mir wünschen, dass du ab jetzt keinen Zwischenstopp mehr in der Wildvogelstation einlegst. Gehabe dich wohl auf deinem Weiher (wo auch immer der irgendwann sein wird) und denk an das Trainingsprogramm, bevor du die nächste lange Reise antrittst!
5-Sterne-Spa-Hotel Wildvogelstation
Und zum Schluss noch eine witzige
Geschichte bzw. eher eine Bemerkung: Die Wildvogelstation ist inzwischen
überregional bekannt und unsere Auffangstation hat sich wohl nicht nur unter
den Menschen rumgesprochen, sondern auch unter den Vögeln! Wir haben innerhalb
der letzten paar Wochen immer wieder eine Taube bei uns gefunden, die nicht zu unserem
Bestand gehört – inzwischen sind wir bei vier neuen Tauben. Entweder lungerten
sie auf oder an einer Voliere rum oder aber sie hatte es sich schon im
Taubenschlag gemütlich gemacht.
Unser Ruf taubenfreundlich zu sein, eilt uns also irgendwie voraus, so dass nicht nur verletzte oder kranke Tiere unsere Dienste in Anspruch nehmen, sondern auch etwaige andere Tauben es so toll bei uns finden, dass sie es zu ihrem neuen Zuhause auserkoren haben. An alle Tauben da draußen: Ihr könnt gerne unser 5-Sterne-Spa-Hotel in Anspruch nehmen, wenn ihr mal eine Auszeit von Zuhause benötigt. Kommt vorbei, es gibt immer Essen und Trinken am Buffet, einmal in der Woche öffnen wir die Poollandschaft und Spa-, Wellness- oder medizinische Behandlungen gibt es auf Anfrage XD